Essig

Der heute in den Handel gebrachte Essig ist in den meisten Fällen nur ein aus Wasser, Spiritus und chemischen Bestandteilen hergestelltes Fabrikat, welches den Namen Essig kaum noch verdient.
Natürlicher Essig, wie er zu früheren Zeiten hergestellt wurde, ist fast ganz durch dieses Kunsterzeugnis verdrängt worden.
Da dieses Kunsterzeugnis auf die Gesundheit aber schädlich einwirken muß, so benutzen kluge Hausfrauen statt desselben in der Küche Zitronensaft von frischen Früchten.
Auch zu Heilzwecken ist Kunstessig nicht zu empfehlen und man wende  sich deshalb zum Bezuge des Essigs an eine solche Essigfabrik, welche Naturessig und keine Essenz herstellt oder man stelle sich selbst Essig, wie unter Brennnessel angegeben, her.

 

Pfarrer Kneipp hat in vielfachen Fällen den Essig, mit Wasser verdünnt, zu Auflagen, Wickel und auch zu Waschungen benutzt.
Bei letzteren reinigt er nicht nur gründlich die Haut, sondern er öffnet auch die Poren und stärkt die Natur bei schwächlichen Personen.
Durch solche Waschungen wird man gegen Witterungseinflüsse abgehärtet und gegen Ansteckungsgefahr geschützt.
Sie bewahren auch bettlägerige Kranke vor dem so schmerzhaften Aufliegen. 

 

Bei Schlaganfällen wende man kräftige Oberkörperwaschungen mit Essigwasser an (Täglich3-4 Waschungen, je 1 min.)
Dieselben wirken sehr wohltuend und belebend.
Nachfolgend mache man heiße Fußwickel von Essigwasser oder Heublumenabsud.

 

Will man recht starke Ausleitungen, z. B. bei Ausschlag, Scharlach, Masern und sonstigen Hautkrankheiten erzielen, so nehme man Wasser und Essig in gleicher Menge und benutze diese Mischung zu Auflagen oder Wickel, welche man, je nach der Körperbeschaffenheit des Kranken, ¾-1½ Stunden liegen läßt.
Nachdem der gut ausgewrungene Wickel um den Kranken gelegt worden ist, wird letzterer in eine wollene Decke geschlagen und warm zugedeckt.
Die Wirkung des Wickels ist eine außerordentlich durchgreifende. 

Diese Wickel wirken auch bei Gemüts- und Nervenleiden sehr beruhigend und rufen bei Menschen, welche an Veitstanz leiden, eine sehr wohltätige Wirkung hervor.

 

Bei Krämpfen und bei Kältegefühl dürfen die Wickel nur warm angewandt werden; sie brechen sofort die Krämpfe (Schreikrampf) und erwärmen den Körper.

 

Der Absud von in Essig gekochten Veilchenblättern ist ein unersetzbares Mittel bei Podagra. (Auflagen.)

 

Minze, in Essig gekocht, stillt das Blutbrechen. (Öfters 1-2 Teelöffel.)

 

Bei Eklampsie, das heißt Krampfanfällen über den ganzen Körper, welche bei Kindern, bei Gebärenden und Schwangeren vorkommen, mache man, nachdem ein Klystier von Bockshornklee gegeben worden ist, warme Heublumenwickel.

 

Ist Blutüberfüllung des Gehirns vorhanden, so mache man Auflagen von kaltem Wasser auf den Kopf und das Genick (alle 10-20 min erneuern) und Fußwickel von warmem Essigwasser.
Ist aber Blutleere vorhanden, so ist zunächst ein recht warmes Bad zu empfehlen; danach wasche man den Oberkörper, besonders die Brust des Kranken, mit kaltem Essigwasser oder Spiritus ab.
(Blutüberfüllung: stark gerötetes Gesicht; Blutleere; wachsbleiches Gesicht.)

 

Essigwasser ist auch ein vorzügliches Belebungsmittel.
Bei Ohnmachtsanfällen halte man ein in Essig getauchtes Tuch dem Kranken unter die Nase und wasche ihm die Stirne und Schläfe mit Essigwasser.

 

Bei Vergiftungen wird eine Mischung von Essig und schwarzem Kaffee als Gegengift angewandt.